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Kann der Tod überwunden, der Mensch unsterblich werden? Erkenntnisse der natur- und lebenswissenschaftlichen Forschung seit der Moderne haben ein neues Bewusstsein für Sterblichkeit und Vergänglichkeit geschaffen sowie Ideen über die Verlängerung des Lebens und physische Unsterblichkeit auf den Prüfstand gestellt. Wegweisende Befunde und Entwürfe slawischer Autoren reihen sich nicht nur in zeitgenössische und aktuelle Diskussionen ein, sondern haben auch eigene Visionen und Technologien mit kulturspezifischer Signatur hervorgebracht. In den Entwicklungen experimenteller Disziplinen, etwa der medizinischen Kybernetik, Robotik und Quantenphysik, erkannten sie Möglichkeiten zur Entgrenzung des Lebens. Heute sind diese Positionen und Suchbewegungen in der Immortologie programmatisch verankert. Von Porfiri Bachmetjew bis Dimitri Itzkow, von Maxim Gorki bis Borislav Pekić haben eine beeindruckende Reihe slawischsprachiger Forscher, Visionäre und Schriftsteller ihre einzigartige, ebenso spekulative wie fruchtbare Perspektive auf das menschliche Leben und die Unsterblichkeit formuliert.
Synergismus, das Zusammenwirken des Menschen mit Gott und Natur, ist ein wesentlicher Schlüssel zur Anthropotechnik und Transformationsästhetik des slavisch-orthodoxen Kulturraums. Visionen des modernen Synergos, die sich angesichts neuer wissenschaftlich-technischer Möglichkeiten an der Wende zum 20. Jahrhundert ihren Weg bahnten, verbinden christliche und säkulare Umgestaltungsprojekte und trennen sie zugleich. Der Synergiediskurs geht dabei keineswegs nahtlos in zeitgenössische Sozialutopien und die Entwürfen des Neuen Menschen der sowjetischen Biopolitik über. Vor dem Hintergrund der epistemischen Umbrüche und Synthesen um 1900, die das Verhältnis von Wissen und Glauben neu justierten, untersucht das Buch synergetische Modellbildungen insbesondere in der russischen Philosophie, Wissenschaft, Literatur und Kunst als ein Fundament der modernen slavischen Wissenskultur.
Danilo Kišs Gesamtwerk ist als ein mnemopoetisches Palimpsest konstruiert, das zwischen Geschichte und Gedächtnis, zwischen der Aufbewahrung des Gewesenen und dessen Vergegenwärtigung insbesondere im Gedenken an die Toten vermitteln will. Der jüdischen hermeneutischen Tradition verpflichtet, überliefert Kišs Erinnerungstextur das Dokument samt Kommentar und Exegese. Auf dieser Grundlage wird den Spuren der Gewalt, die die europäische Geschichte an den Juden hinterlassen hat und die als solche in das narrative Palimpsest eingeschrieben sind, ihre konkrete Referenz zugewiesen. Kišs Poetik führt exemplarisch die Funktionen des Speichers, der Übermittlung und der Sinnstiftung des Vergangenen vor, die Literatur angesichts der Katastrophen des 20. Jahrhunderts übernehmen kann.
In seinem Essay „The Tree“ beschrieb John Fowles mit der Metapher des Waldes als „green chaos“ die Komplexität postmoderner Literatur, die auch seinem metafiktionalen Roman The Magus zugrunde liegt. Auf der Folie der Chaostheorie, die das Zufallsverhalten nichtlinearer Systeme und Formen ihrer Selbstorganisation in selbstähnlichen Strukturen komplexer Ordnungen beschreibt, wird in der Studie analysiert, wie im Roman einfache literarische Modelle interagieren, sich überlagen und in der Umcodierung traditioneller Textkonventionen die mannigfaltigsten Formen (re-)produzieren. Kernstück des Romans ist ein selbstreflexives Metatheater, in dem eine Magierfigur den Protagonisten und impliziten Leser durch das narrative Labyrinth führt und so das dynamische Text-Leser-Verhältnis metafiktioneller Texte reflektiert.
Tectum, Marburg 1996, 77 Seiten
ISBN 978-3-896-08781-2